Die Konferenz von Annapolis hatte durchaus ein Ergebnis: Nicht für den Nahostkonflikt, aber für den großen Regionalkonflikt mit Iran
Ein Berg war es nicht gewesen, der da in der letzten Woche in der Stadt an der Küste Marylands gekreißt hat. Und man wird wohl noch einige Zeit abwarten müssen, bis man wissen wird, ob dort lediglich eine Maus von nahöstlichem Friedensprozess geboren wurde oder tatsächlich mehr.
Was die eigentliche Sache der Konferenz betraf, nämlich den Nahostkonflikt zwischen Israel und den Palästinensern, so wurden die Pessimisten eher bestätigt als widerlegt. Die Konfliktparteien konnten sich nicht einmal auf ein Dokument einigen, geschweige denn auf gemeinsame Grundsätze, die mehr enthielten als die äußerst vage gehaltene Vision einer Zwei-Staaten-Lösung.
Stattdessen trug der Gastgeber der Konferenz, der amerikanische Präsident Bush, mit dem Einverständnis der beiden Parteien eine kurze Erklärung vor. Darin wurde ein Verhandlungsprozess mit dem Ziel eines israelisch-palästinensischen Friedensvertrags verabredet. Die USA werden diesen Prozess beaufsichtigen. Die Verhandlungen sollen am 12. Dezember beginnen und noch vor Ablauf des Jahres 2008 beendet werden.
Angesichts der Schwierigkeit der zu verhandelnden Fragen verwundert das karge Ergebnis der Konferenz keineswegs. Es allein wäre daher auch kein ausreichender Grund für Pessimismus - wenn nicht in Annapolis die politische Schwäche der beteiligten drei Hauptakteure so offensichtlich zutage getreten wäre.
Israel geht es im Kern um Sicherheit. Den Palästinensern um den Abbau der israelischen Siedlungen, das Ende der Besatzung und um einen eigenen, lebensfähigen Staat in den Grenzen vom 5. Juni 1967, unter Einschluss von Ostjerusalem. Die Tragik liegt nun genau darin, dass niemand dem israelischen Premierminister Olmert zutraut, Zusagen über Siedlungen und Land auch erfüllen zu können. Und fast noch weniger traut man dem Palästinenserpräsidenten Abbas zu, Sicherheitsversprechen an Israel garantieren zu können. Und damit fehlt auch weiterhin auf beiden Seiten ein ganz entscheidendes Element für einen ernsthaften Friedensprozess, nämlich die Hoffnung.
Sehr viel interessanter hingegen sind die Ergebnisse der Konferenz, wenn man ihre Bedeutung für die Gesamtregion betrachtet. Mit ihr hat nämlich der bisher zentrale Regionalkonflikt zwischen Israel und den Palästinensern an Bedeutung verloren. Er ist nicht länger der Zentralkonflikt. Die Rolle des regionalen Zentralkonflikts wurde stattdessen von dem Konflikt um die Vorherrschaft in der Region zwischen Iran und den gemäßigten arabischen Staaten, vorneweg Saudi-Arabien, übernommen.
Die gegenwärtigen Schlachtfelder dieses Hegemonialkonflikts sind heute noch der Libanon und der Irak, aber die eigentliche Krise wird um die Vorherrschaft am Persischen Golf stattfinden. Der regionale Zentralkonflikt hat sich dorthin verlagert.
Mehr noch: In Annapolis hatte sich unter der Führung der USA zum ersten Mal eine antiiranische Koalition aus den arabischen Staaten und Israel offen zusammengefunden. Der vordergründige Anlass war zwar der Friedensprozess im Nahen Osten, aber das Wesen der Sache war jenes antihegemoniale Bündnis gegen Iran. Insofern war Annapolis vor allem eine diplomatische „show of force“ gegenüber dem Iran.
Gerade deswegen könnte die Teilnahme Syriens von überaus großer Bedeutung gewesen sein, denn dieses Land ist der letzte regionale Alliierte des Iran.
Falls die Einladung Syriens nur ein taktisches Nachgeben der US-Regierung gewesen sein sollte, um Saudi-Arabien an den Konferenztisch zu bekommen, kann man die Sache vergessen. Sollte die Einladung an Damaskus allerdings ein Angebot gewesen sein, Syrien sowohl ernsthaft in den Friedensprozess einzubeziehen als auch darüber hinaus strategisch ins arabisch-westliche Lager zu holen, dann würde Annapolis den Beginn einer völlig neuen Regionalpolitik der USA im Nahen Osten bedeuten.
Eine solche neue Regionalpolitik der USA wäre allerdings lediglich ein halber Schritt, der zudem in eine fatal falsche und gefährliche Richtung führen würde, wenn er die diplomatischen Voraussetzungen für einen militärischen Angriff schaffen sollte.
Eine regionale Isolierungsstrategie gegenüber Iran ergibt nur dann Sinn, wenn sie zugleich von der Vorbereitung eines ernsthaften Gesprächsangebots Washingtons an Teheran über alle wichtigen Fragen – Nuklearprogramm, Irak, Nahostkonflikt, Sicherheit am Golf und in der gesamten Region, volle Normalisierung der Beziehungen – begleitet wird. Genau darauf sollten die europäischen Regierungen jetzt energisch drängen.
Die Konsequenzen wären eine Friedenslösung im Nahostkonflikt, eine Stabilisierung des Iraks und schließlich ein regionales Sicherheitssystem, das den legitimen Sicherheitsinteressen aller beteiligten Staaten Rechnung tragen, einen nuklearen Rüstungswettlauf im Nahen Osten verhindern und der Region genügend Stabilität garantieren würde, damit sie einen Prozess der graduellen Modernisierung einschlagen könnte.
Was Annapolis also wirklich gebracht hat und wie es schließlich politisch einzuordnen sein wird, werden erst die kommenden Monate zeigen. Eines ist jedoch bereits heute absehbar: Die Fortschritte im nahöstlichen Friedensprozess werden nicht im Vordergrund stehen, sondern durch die sich aufbauende Konfrontation mit Iran verdrängt werden.
Hat die Konferenz von Annapolis also der Vorbereitung einer militärischen Konfrontation mit Iran gedient? Oder wird sie den Beginn einer neuen Regionalpolitik der USA markieren, die Iran politisch und ökonomisch isoliert? Spätestens im nächsten Frühjahr werden wir die Antwort wissen.
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen