Wie geht es weiter nach Bali? Leider erst einmal wie gehabt
Erinnern Sie sich noch, verehrte Leserinnen und Leser, an den vergangenen Juni? An den G8-Gipfel in Heiligendamm? Ein bedeutender Beschluss zum Klimaschutz sei dort von den acht wichtigsten Industrieländern gefasst worden, so wurde damals amtlicherseits verlautbart. Und worin bestand nun dieser bedeutende Beschluss? Richtig, die dort versammelten acht Staaten versprachen, eine Halbierung der weltweiten CO2-Emissionen bis 2050 „ernsthaft zu prüfen. “ Bedeutend war zwar nichts an diesem Beschluss gewesen, denn er hieß, in deutsche Alltagssprache übersetzt, nichts anderes als Vertagung, war also ein fauler Kompromiss. Aber mehr war mit den amerikanischen Gästen offensichtlich nicht drin.
Bereits in Heiligendamm war allen Kundigen klar, dass die erste wirkliche Weichenstellung nicht an den Gestaden der Ostsee, sondern auf der UN-Klimakonferenz in Bali im Dezember dieses Jahres stattfinden würde. Und die auf dem G8-Gipfel zutage getretene Blockadehaltung der USA legte zudem die Erwartung nahe, dass ohne ein erneutes transzendentes Erweckungserlebnis von Präsident George W. Bush die Konferenz von Bali an derselben Hürde scheitern könnte.
Ein offenkundiges Scheitern in Bali wurde nun in der Verlängerungszeit des UN-Klimagipfels in sprichwörtlich letzter Sekunde verhindert, und heraus kam ein Fahrplan für das weitere Vorgehen der Weltgemeinschaft, nicht mehr und nicht weniger. Bis 2009 sollen die Verhandlungen über das Nachfolgeabkommen von Kyoto zum internationalen Klimaschutz abgeschlossen werden, sodass es dann in den folgenden drei Jahren, bis zum Auslaufen von Kyoto im Jahr 2012, weltweit ratifiziert werden und in Kraft treten kann.
Was aber ist dieser Kompromiss von Bali nun tatsächlich wert? Wenn es nur um einen Fahrplan ging, warum dann die entnervenden Blockaden auf dieser Konferenz? Die Antwort liegt auf der Hand: Es ging eben nicht nur um einen Fahrplan bis 2009, sondern bereits massiv um die Richtung und die Geschwindigkeit des internationalen Klimazuges. Davon ist in dem Dokument von Bali allerdings nicht mehr viel zu finden, denn hier haben sich die Bremser fast vollständig durchgesetzt. Unter dem Gesichtspunkt der Substanz des Dokuments erinnert es doch allzu sehr an Heiligendamm, an eine Vertagung also und damit erneut an einen faulen Kompromiss.
Alle wissenschaftlichen Untersuchungen zeigen, dass der Klimaschutz nur global funktionieren wird, wenn sich also alle Nationen daran beteiligen, an erster Stelle die wichtigsten Klimaverschmutzer. Darüber hinaus droht dem Klimaschutz die Zeit davonzulaufen. Der Zeitfaktor wird auf Grund des hohen Wirtschaftswachstums in China, Indien und anderer großer Schwellenländer und der jahrzehntelangen, in manchen Fällen bis heute anhaltenden Untätigkeit der alten Industriestaaten zu einem immer dramatischeren Problem.
Zehn bis fünfzehn Jahren geben die Klimatologen der Weltgemeinschaft noch, wenn die von Menschen verursachten Klimaveränderungen zumindest begrenzt werden sollen. Allerdings gilt dies nur dann, wenn bis 2015 der Höhepunkt der Emissionen von Treibhausgasen überschritten sein wird. Darüber hinaus muss, so liest man es in den Berichten des UN-Klimarates, bis Mitte des Jahrhunderts der globale Ausstoß von Klimagasen gegenüber dem Stand von 1990 mehr als halbiert werden. Andernfalls, so sagen es die internationalen Klimaforscher, könnte der Punkt erreicht werden, der ein Zurück nicht mehr zulässt.
Und insofern ist das Ziel, die globalen CO2-Emissionen der großen Industriestaaten bis 2020 um 30 Prozent zu reduzieren, eher ein absolutes Muss als ein ambitioniertes Maximalziel. (Die EU hat sich zwar auf dieses Ziel während der deutschen Ratspräsidentschaft politisch verpflichtet, aber seine konkrete Ausfüllung durch die EU- Kommission als auch seine Annahme durch die Mitgliedsstaaten sind bis heute nicht mehr als ein Versprechen.)
Liest man angesichts dieser Fakten den vor wenigen Wochen veröffentlichten „World Energy Outlook 2007“ der Internationalen Energieagentur (IEA), so kann einen die Lektüre in tiefe Depressionen stürzen. Allein Chinas Primärenergiebedarf droht sich, entsprechend dem Referenzszenario der Agentur, zwischen 2005 und 2030 mehr als zu verdoppeln. Die Fahrzeugflotte Chinas soll im selben Zeitraum auf das Siebenfache von heute anwachsen und fast 270 Millionen Automobile erreichen. Es verwundert daher nicht, dass die Energieagentur in ihrem Referenzszenario davon ausgeht, dass die globalen CO2 Emissionen zwischen 2005-2030 um 57 Prozent zunehmen werden. Die USA, China, Indien und Russland sollen dabei für zwei Drittel des Anstiegs verantwortlich sein.
Im Lichte dieser Faktenlage kann sich die Staatengemeinschaft eine Politik der Untätigkeit, des Abwarten und oder gar eines schlichten „Weiter so!“ bereits heute nicht mehr erlauben – und dennoch bestimmt dieses unverantwortliche Verhalten nach wie vor die internationale Klimaschutzagenda, siehe Bali.
Denn verbindliche Reduktionsziele und Termine wurden dort erneut durch eine Koalition der Unwilligen, angeführt von den USA, verhindert. „Tiefe Einschnitte bei den globalen Emissionen“ werden zwar im so genannten „Bali Aktionsplan“ gefordert. Aber konkreter wird der Aktionsplan dann nicht. Zwar nimmt man in dem Konferenzdokument in einer Fußnote auf den Bericht des UN-Klimarates Bezug und somit indirekt auf dessen konkrete Vorgaben. Aber das war es dann auch schon, und damit kann jeder den Text nach seinem Belieben interpretieren. Fehlanzeige also.
Im Klartext hat Bali in der Hauptsache, nämlich dass sich die wichtigsten Verschmutzerstaaten endlich konkret und praktisch in die Pflicht nehmen lassen, erneut nichts anderes gebracht als eine weitere Vertagung.
„Auf Wiedersehen in Kopenhagen 2009“ heißt die eigentliche Botschaft von Bali. Dort sollen endlich Nägel mit Köpfen gemacht werden. Zudem wird dann in den USA eine andere Regierung im Amt sein, und vielleicht ändern sich ja dann die Dinge wirklich. Freilich sollte man gerade angesichts dieser Hoffnungen nicht vergessen, woran der Vertrag von Kyoto letztlich gescheitert ist. Ein solcher Vertrag muss durch den US-Senat ratifiziert werden, damit er in Kraft treten kann. Das hat schon einmal nicht funktioniert.
Bis Kopenhagen 2009 werden dann drei weitere Jahre ins Land gegangen sein, in denen es zu einem gewaltigen Anstieg der politischen Verbalemissionen kommen wird, die globalen CO2 Emissionen in der wirklichen Welt aber erneut zu- und nicht abgenommen haben werden. Und vielleicht geschieht ja in der Zwischenzeit auch etwas, was es in der Politik eigentlich nicht gibt, nämlich ein kleines Wunder. Denn, so muss man auf Grund der bisherigen Erfahrungen befürchten, der Klimaschutz wird wohl ohne den direkten Eingriff höherer Mächte kaum wirklich vorankommen.
Mit Joschka Fischers Kolumne beginnt jeden Montag um 9:00 die politische Woche auf ZEIT online.
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen